EU-Verordnung Entwaldungsfreie Lieferketten – Inkrafttreten und offene Fragen
In den vergangenen Monaten haben wir bereits mehrfach über die neue EU-Verordnung Entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) berichtet. Mittlerweile haben wir erfahren, dass das EU-Parlament am 30. März 2023 über den Verordnungsvorschlag abstimmen soll. Was das in der Praxis bedeutet und welche wichtigen Fragen noch offen sind, wird hier erläutert.
Gemäß Internetseite des Europäischen Parlaments (Link) soll dort am 30. März über die EUDR abgestimmt werden. Die Verordnung tritt 20 Tage nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft. Wenn das Parlament das geplante Datum einhält und dem Verordnungsvorschlag zustimmt (was als Formsache gilt), ist folglich von einem Inkrafttreten der Verordnung Ende April 2023 auszugehen. Für die Unternehmen der Holzbranche gilt eine Übergangsfrist von 18 Monaten. Das würde also bedeuten, dass die EU-Holzhandelsverordnung (EUTR) noch bis Ende Oktober 2024 gilt. Danach wird sie durch die EUDR ersetzt, und alle Unternehmen, die mit Holz und Holzprodukten handeln, müssen die neuen Vorgaben umsetzen.
Die GD Holz Service GmbH sammelt aktuell Informationen zur zukünftigen Umsetzung der Verordnung und steht dafür in engem Austausch mit Behörden und Verbänden auf nationaler und europäischer Ebene. Bei der Analyse der Verordnung fallen uns immer wieder offene Fragen auf. Bei folgenden Punkten haben wir die EU bereits um Klärung gebeten:
- Zukünftig müssen sich große Händler innerhalb der Lieferkette in der EU vergewissern, dass ihre Lieferanten ihre Sorgfaltspflicht erfüllt haben.
Was genau wird hier von großen Händlern verlangt? Welche Nachweise brauchen sie von ihren Lieferanten? Müssen die Lieferanten (=Importeure) Informationen zur Lieferkette oder Dokumente aus ihrem Sorgfaltspflichtsystem (DDS) weitergeben? - Produkte aus Abfällen (z.B. recyceltes Holz) sind von der Verordnung ausgenommen. Gleiches wird für Produkte aus Bambus oder Palmen angenommen (z.B. Bambus-Terrassendielen), da sie kein Holz sind und somit nicht aus einem relevanten Rohstoff gemäß Anwendungsbereich der Verordnung hergestellt werden. Ein DDS oder eine Sorgfaltspflichterklärung (SE) sind daher nicht erforderlich.
Viele dieser Produkte haben jedoch Zolltarifnummern, die im Anwendungsbereich der Verordnung aufgeführt sind. Importeure müssen für Produkte im Anwendungsbereich vor jedem Import eine SE hochladen, inklusive Geodaten. Diese SE benötigt der Zoll, ansonsten werden die Waren nicht für die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr freigegeben.
Da für die o.g. Produkte keine Verpflichtung zur Abgabe einer Sorgfaltspflichterklärung besteht, kann den Zollbehörden keine Referenznummer mitgeteilt werden. Die für eine SE erforderlichen Informationen (z. B. Geodaten) sind für solche Produkte nicht verfügbar. Wie kann dieses Problem gelöst werden? - Was müssen Marktteilnehmer tun, um nachzuweisen, dass ein Produkt frei von Waldschädigung ist? Reicht es aus, dies mit Hilfe von Satellitenbildern zu tun? Oder kann man sich auf bestehende Waldbewirtschaftungspraktiken zu beziehen, z. B. auf einen Waldbewirtschaftungsplan? Wie sind großflächige Kahlschläge zu handhaben, die insbesondere in borealen Nadelwäldern zur gängigen Praxis gehören?
- Inwieweit müssen Marktteilnehmer prüfen, ob Themen wie Arbeitsrecht, Menschenrechte und die Rechte der indigenen Bevölkerung eingehalten werden? Welche Nachweise werden benötigt?
- Gemäß EUDR bedeutet
Inverkehrbringen
die erstmalige Bereitstellung einer relevanten Ware oder eines Produkts auf dem Unionsmarkt. Die Definition bei der EUTR ist ähnlich, in der Praxis wird beim Import aber grundsätzlich derEmpfänger der Ware
gemäß Feld 8 der Zollanmeldung als Inverkehrbringer definiert. Wird diese Herangehensweise auch für die EUDR gelten? - Gemäß EUTR Durchführungsverordnung muss ein Sorgfaltspflichtsystem pro Lieferant und Produkt einmal innerhalb von 12 Monaten angewendet werden, vorausgesetzt, die Lieferkette bleibt gleich. Wird dies auch bei der neuen Verordnung der Fall sein?
- Sind Geokoordinaten für jede einzelne Parzelle erforderlich, oder können große Polygone mit mehreren Grundstücken verwendet werden, sofern die Risiken der Entwaldung, der Degradierung und des illegalen Holzeinschlags in dem gesamten Gebiet ähnlich sind? Dies könnte die Belastung von Marktteilnehmern, die ihre Produkte aus Gebieten mit geringem Risiko beziehen, erheblich verringern.
- Gibt es Bagatellgrenzen für Entwaldung und Waldschädigung? Gemäß Verordnung darf auch von einem Grundstück, das nur in Teilen von Entwaldung oder Waldschädigung betroffen ist, keine Ware mehr in Verkehr gebracht werden. In der Praxis kommt es aber gerade in den Tropen immer wieder vor, dass ohne Wissen der Konzessionsinhaber kleine Palmöl- oder Kakoplantagen in Konzessionen mit zehntausenden Hektar angelegt werden. Darf dann von dort nicht mehr importiert werden?
- Wie unter 8. erwähnt führt jede Entwaldung oder Waldschädigung auf den betreffenden Grundstücken automatisch zum Ausschluss aller Erzeugnisse von einer solchen Fläche vom Inverkehrbringen. In Ländern wie Brasilien ist es jedoch gang und gäbe, Waldflächen teilweise in landwirtschaftliche Flächen umzuwandeln und auf dem Rest der Fläche Forstwirtschaft zu betreiben. Ist dies im Sinne der Verordnung erlaubt, wenn die Fläche in mehrere Flurstücke aufgeteilt wird?
Die Kommunikation mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und der EU-Kommission funktioniert aktuell gut – insbesondere das BMEL tut sich hier aktuell positiv hervor. Wir sind deshalb zuversichtlich, dass wir bald Antworten auf diese und weitere Fragen erhalten werden. Ob diese Antworten den Bedürfnissen des Holzhandels entsprechen werden, steht aber in den Sternen.
Falls Sie bereits jetzt Fragen zur neuen Verordnung haben, freuen wir uns auf Ihre Mitteilung an eutr@gdholz.de. Zudem verweisen wir auf unser Webinar am 24.3.2023, den Link finden Sie in einer weiteren Meldung im heutigen Newsletter.
Den aktuellen Verordnungsentwurf finden Sie unter folgendem LINK
Newsletter-Artikel mit weiteren Informationen zur Verordnung finden Sie hier und hier.
es wundert mich sehr, wie kritiklos und angepasst unser Verband der Politik gegenüber steht. Wenn man den Inhalt der künftigen Aufgaben und Pflichten der Holzimporteure genau betrachtet, dann muss man zur Erkenntnis kommen, ich betone muss, dass hier hoheitliche Aufgaben an Unternehmen delegiert werden die von der großen Maße der betroffenen gar nicht oder nur unzureichend wahrgenommen werden können. Ausnahme die großen Player des Holzhandels die über entsprechendes Personal verfügen können. Sie wissen genau, dass die in ihrem Beitrag beschriebenen Maßnahmen und Pflichten ein nicht zu überbietenden Schwachsinn darstellen. Scharfe Worte der Kritik an den Staat Fehlanzeige.
Gruß aus Neuwied
Jürgen Schmidt
Gruß aus Sachsen
Ulrich Ehrhardt
Ihnen zunächst vielen Dank für die Kommentare und die Kritik.
Wir begleiten die Genese der EUDR seit dem ersten geleakten Entwurf Ende 2021, also nunmehr seit fast eineinhalb Jahren. Wir können Ihnen versichern, dass wir sowohl mit dem deutschen Ministerium als auch mit dem Verordnungsgeber in Brüssel seither in Kontakt stehen um unsere und die Kritik unserer Mitglieder zu adressieren.
Mit dem Parteiwechsel im BMEL seit der letzten Bundestagswahl kann ich bestätigen, dass dort ein neuer Geist Einzug gehalten hat und unsere Kritik insbesondere an der Umsetzbarkeit der neuen VO eben nicht mehr so offen geteilt und gehört wird, wie zuvor. In Brüssel ist Frans Timmermans einer der maßgeblichen Treiber hinter der VO, aber auch SPD-Abgeordnete und Politiker eines breiten Parteienspektrums.
Dies, weil es konsensfähig ist, dass globale Entwaldung nicht weiter stattfinden darf; und aus zehn Jahren EUTR hat man den Schluss gezogen, dass die (alte) VO eben den Handel mit illegal geschlagener Ware unterbinden, nicht aber im Ursprungsland legale Entwaldung verhindern kann. Daher die EUDR – diese zielt darauf ab, den Konsum in der EU so zu ermöglichen, dass nicht (versehentlich) zur globalen Entwaldung beigetragen wird. Ein Ziel, das wir teilen – über die Mittel für diesen Zweck aber setzen wir uns sehr kritisch mit dem Verordnungsgeber auseinander und werden das in Ihrem Sinne auch weiter tun.
Die Punkte in dem Artikel sind Beispiel dafür, wie tief wir bereits in der Materie stecken und versuchen, die VO für unsere Mitglieder möglichst umsetzbar und praxisnah zu gestalten. Dass wir nicht mit allen Punkten Erfolg haben (werden können), liegt leider auf der Hand.
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