Die Internetportale des GD Holz

Mit einem Klick zum richtigen Thema

12.06.2024rss_feed

Regelwerke: Mal ehrlich – wer blickt da durch? (Teil 2)

Gesetzliche Regeln, Leistungserklärung, CE-Zeichen. DIN-Normen, Hinweis- und Merkblätter, Gütezeichen. In der Praxis werden Planer und Ausführende mit einer Flut von Regelwerken konfrontiert. Viele Regeln verändern sich regelmäßig und bei Missachtung drohen Haftungsansprüche.


Im letzten Newsletter (s. u.) wurde der Zusammenhang zwischen Regelwerken, EU-Bauprodukten-Verordnung und erforderlicher CE-Kennzeichnung von Holzprodukten erläutert. Der zweite Teil des Artikels geht heute auf die Organisation der Überwachung, Hintergründe zu Normen und Normung sowie die gesundheitliche Bewertung von Bauprodukten ein.


Organisation der Überwachung

In Deutschland liegt die Zuständigkeit für die Marktüberwachung harmonisierter Bauprodukte bei den Ländern. Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) ist die gemeinsame Marktüberwachungsbehörde der Länder. Die Kontrolle erfolgt durch Stichproben oder aufgrund von Anzeigen, Hinweisen und Beschwerden. Zuständig sind in der Regel die Bauministerien der Länder mit den nachgeordneten Behörden (Regierungspräsidien, Baubehörden der Gemeinden). Auch der Zoll ist eingebunden. Weitere Informationen dazu gibt es im GDH-Intranet: intranet.gdholz.net unter den Stichwörtern Marktüberwachung und CE-Kennzeichnung.

Bauregellisten wurden­ abgeschafft

Seit 1. April 2019 wurden die Bauregellisten A und B und Liste C aufgehoben. Die Europäische Kommission hatte Deutschland aufgefordert, seine für Bauprodukte geltenden Vorschriften und Verfahren (Bauregelliste) zu ändern, mit denen Zusatzanforderungen an Produkte aufgestellt worden sind, die von harmonisierten europäischen Normen erfasst sind und eine CE-Kennzeichnung tragen. Solche Zusatzanforderungen verstoßen gegen die Vorschriften des europäischen Binnenmarktes. Nach der Aufhebung der Bauregellisten wäre eigentlich nur das CE-Zeichen einzig und allein zu beachten. Was eigentlich Sinn und Zweck harmonisierter europäischer Regeln sein sollte.

Die Bauministerkonferenz sah dies jedoch für Deutschland als nicht ausreichend an und hat deshalb die MVV TB (Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen) eingeführt. Schließlich sind Leben und Gesundheit der Gebäudenutzenden in Deutschland zu schützen. Damit können nationale Sonderregelungen wieder eingeführt werden. Die Vorschrift ist von der EU zunächst nicht angreifbar, da sie ja nur ein Muster also eine Empfehlung an die Länder ist, um Vorschriften in die Landesbauordnungen einzuführen. Ob sie dort gegen EU-Recht verstoßen oder die EU überhaupt Landesbauordnungen beachtet, bleibt abzuwarten. Das Werk hat stolze 352 Seiten.

Die MVV TB dient als Vorlage für entsprechende Landesbauordnungen bzw. Landesverwaltungsvorschriften. Das heißt, die als Muster bezeichneten Vorschriften entfalten keine unmittelbare Geltung, sondern müssen in Landesrecht umgesetzt werden. Im Fall der MVV TB verweisen inzwischen einige Bundesländer auf das Muster des DIBt. Andere überführten (2023) das Muster – ggf. mit Änderungen und Anpassungen – in eine Landesverwaltungsvorschrift (www.dibt.de/fileadmin/dibt-website/Dokumente/Referat/P5/Technische_Bestimmungen/Stand_Umsetzung_MVVTB.pdf).

Gesundheitliche Bewertung

Der Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten (AgBB) ist im Umweltbundesamt angesiedelt. Die EU-Bauproduktenverordnung fordert, dass keinem Gebäudenutzenden gesundheitlicher Schaden durch Bauprodukte entstehen darf. Die anwendbare Umsetzung dieser Regel erfolgt durch nationale Regelungen.

Dazu haben die Länder eine Arbeitsgruppe der obersten Gesundheitsbehörden eingeführt. Aus dieser entwickelte sich der Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten, AgBB. Neben den Gesundheitsbehörden ist dort das Deutsche Institut für Bautechnik, die Bauministerkonferenz, die Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM), das Bundesinstitut für Risikobewertung und der Koordinierungsausschuss 3 für Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz (DIN KOA 03 im NA-Bau des DIN) vertreten. Die Geschäftsstelle ist beim Umweltbundesamt (www.uba.de).

Man geht davon aus, dass Bauprodukte, neben anderen Einflüssen (z. B. Reinigungs- und Pflegemittel, Duftstoffe, Möbel, Schimmelpilze) eine bedeutende Quelle für die Belastung der Innenraumluft durch flüchtige organische Verbindungen (VOC und SVOC) darstellen können. Um eine einheitliche Prüfung und Bewertung zu sichern, hat der AgBB-Prüfkriterien erarbeitet und daraus ein Bewertungsschema (AgBB-Schema) entwickelt, das Grundlage der bauaufsichtlichen Zulassung durch das DIBt ist.


Wann ist eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) erforderlich?

Laut DIBt ist eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung notwendig, wenn es für ein Bauprodukt keine DIN-Norm oder ähnliche allgemein anerkannte Regel der Technik gibt. Die abZ ist ein bauaufsichtlicher Verwendbarkeitsnachweis. Als Verwendbarkeitsnachweis kann sowohl eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ), als auch eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) oder ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis für Bauprodukte (abP) dienen.

Die zuvor beschriebenen Regelwerke sind Gesetze oder Gesetzen gleichgestellte, staatliche Verordnungen, die eingehalten werden müssen. Verstöße sind Straftaten oder strafbewehrte Ordnungswidrigkeiten. Die nachstehend beschriebenen Regelwerke sind private Regelwerke mit Empfehlungscharakter. Doch Vorsicht! Sobald diese Regelwerke vertraglich vereinbart werden, sind sie bindend und müssen eingehalten werden (Beispiel VOB). Auch Produktnormen (DIN), auf die Landesbauordnungen Bezug nehmen, werden dadurch verbindlich.

Private Regelwerke mit Empfehlungscharakter

DIN-Normen

DIN-Normen basieren auf gesicherten Ergebnissen von Wissenschaft, Technik und Erfahrung und dienen der Allgemeinheit. Sie werden im geregelten Prozess der Normung erarbeitet. DIN-Normen sind Empfehlungen und können, müssen aber nicht benutzt werden. Grundsätzlich handelt es sich um private Regelwerke mit Empfehlungscharakter. Als solche können sie hinter dem Stand der Technik zurückbleiben, haben aber die Vermutung für sich, dass sie den Stand der Technik abbilden. Diese Vermutung kann durch Sachverständigenbeweis widerlegt werden. Leider ist dies in der Praxis nicht weit verbreitet. Sachverständige klammern sich zu oft an DIN-Normen, anstatt sachverständig tätig zu werden. Dadurch und selbstverständlich auch durch die häufige vertragliche Vereinbarung von DIN-Normen, entstand ein fragwürdiger Trend in der Rechtsprechung, bei dem von einem Mangel ausgegangen wird, wenn eine Norm nicht eingehalten wurde. Das ist aber nicht die Idee, die eigentlich dahintersteckt.

Vorstehend Gesagtes gilt allerdings in der Regel nur für Ausführungs- und nicht für Produktnormen, da der Gesetzgeber in den Landesbauordnungen häufig darauf verweist.

Vereinbarungen als Vertragsbestandteil

Ebenso werden DIN-Normen rechtlich wirksamer Vertragsbestandteil, wenn sie vereinbart werden. Das gilt auch für die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB). Ist diese vereinbart, gelten alle dort erwähnten Normen als verbindlicher Vertragsbestandteil.

Die Gesamtheit der DIN-Normen bezeichnet man als Deutsches Normenwerk. Internationale und Europäische Normen, die vom DIN übernommen wurden, werden ebenfalls als DIN-Norm bezeichnet und sind Teil des Deutschen Normenwerkes.

Neben den vorgestellten Regelwerken gibt es noch eine große Anzahl weiterer Merkblätter, Vereinbarungen, Empfehlungen und auch viele Güte- und Umweltzeichen, durch die sich Anforderungen und Regeln ergeben können. Diese sind aber den hier vorgestellten Regelwerken nachgelagert zu betrachten.


Foto: © Fotolia.com

Foto: © Fotolia.com