Eingangs- Untersuchungspflicht – wie groß muss die Stichprobe sein?
Im gegenseitigen Handelskauf besteht eine Eingangsuntersuchungs- und Rügepflicht, wenn die Ware an den Kunden ausgeliefert wurde (§ 377 HGB). Das ist der Fall, wenn sie so in den Machtbereich des Käufers gelangt, dass er sie auf seine Beschaffenheit hin unverzüglich
überprüfen kann. Aber was genau soll er prüfen?
Die rechtlichen Anforderungen an die Untersuchung selbst sind enorm. Es gilt zwar als gesichert, dass keine Untersuchungs- oder Testverfahren angewendet werden müssen, deren Dauer sicher den unverzüglichen
Zeitraum überschreiten würde, also im Holzhandel die 14 Tages Frist, die nach den Tegernseern Gebräuchen gilt.
Einigkeit besteht weiter dahingehend, dass bei größeren Warenmengen die Überprüfung repräsentativer Stichproben genügt. Die Stichprobe muss aber so gewählt werden, dass ein sicherer Rückschluss auf die gesamte Lieferung möglich ist – es dürfen also nicht nur aus einer Charge oder Verpackung und nicht nur von einer Güteklasse die Stichproben entnommen werden.
Die Rechtsprechung mutet dem Händler ebenfalls zu, dass zerstörende Untersuchungen und der Verlust der Stichproben durch die Überprüfung in Kauf genommen werden müssen. Die Grenzen, wann mit dem Öffnen weiterer Verpackungen oder dem Zerstören von zu prüfenden Warenteilen aufgehört werden darf, sollen Gesichtspunkte der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit, also der Kosten- und Zeitaufwand sowie die zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten bilden. Das OLG München hat bei einem Handelskauf von 950 Multiplex- Verlegeplatten z.B. gefordert, dass mindestens von jeder Palette eine Probe zu ziehen sei. Die Tendenz der Rechtsprechung ist zu erkennen, dass an die Beprobung von Bauteilen höhere Anforderungen gestellt werden, da sie als typische Massenprodukte nicht nur eine gewisse unvermeidliche Fehlerhäufigkeit aufweisen, sondern im Zweifel auch nicht unerhebliche Bauschäden auslösen können.
Ist anlässlich der Stichprobenuntersuchung ein Mangel nicht sicher feststellbar, fordert die obergerichtliche Rechtsprechung weitere Maßnahmen, wie etwa eine Probeverarbeitung oder die Hinzuziehung von Sachverständigen. Und die Rechtsprechung legt auch hier die Latte für den Käufer extrem hoch. So sollen Holzbauteile probeweise in einem geschlossenen Raum aufgestellt werden müssen, um Ausgasungen der Lackierung feststellen zu können (BGH, Urt. v. 11.11.1974 – VIII ZR 137/73 – WM 1974, 1204, 1205), und Bodenplatten bedürfen einer probeweisen Verlegung an Ort und Stelle, um u.a. die Maßhaltigkeit von Nut und Feder zu ermitteln (OLG München Urt. v. 24. Sept. 2015 - 23 U 417/15).
Wie immer wieder an dieser Stelle betont, sollte auf die Eingangsuntersuchung höchsten Wert gelegt werden, da die Rechtsfolgen fatal sein können, da die Mangelhaftigkeit der Ware dann als akzeptiert gilt und keine weiteren Ansprüche geltend gemacht werden können. (ga)
Kommentare